Da ich vorhabe, auf diesem Blog ab und an meine Gedanken zu teilen, ist es wohl hilfreich, mich kurz vorzustellen. Im Folgenden also, nicht gerade in Kürze: Wer bin ich und was soll das hier?
Rechts der Saale lebe ich eigentlich sehr gern. Ich bin Florian und ich bin aufgewachsen im ostthüringischen Saale-Orla-Kreis, nah am Thüringer Meer und fern vom nächsten Bahnhof. Eine schöne Gegend mit viel Natur und wenigen Menschen. Im Dorf leben gerade einmal 500 Seelen. Man kennt sich, packt mit an.
Zwei Seiten der Heimat
Entgegen dem demografischen Trend gibt es hier, seit ich denken kann, viele Kinder und junge Eltern. Es steht wenig leer und wo ein Haus frei wird, zieht schnell jemand ein. Das Dorf wirkt modern, durch ein Erneuerungsprogramm ist Vieles gut in Schuss. Busse fahren werktags regelmäßig. Und mit dem Auto ist die A9 nur wenige Minuten entfernt. Von dort ist man schnell in Jena, Leipzig, Nürnberg.
Wenn meine Heimat in den Medien ist, geht es aber meist um andere Themen: einkommensschwach (DLF), abgehängt, rechtsaußen. Gut, manchmal auch um irische Landschaften (MDR), aber das ist die Ausnahme. Und es stimmt: Viele Menschen hier hangeln sich von Monatslohn zu Monatslohn, häufig auf Mindestlohnniveau. Zum nächsten Krankenhaus fährt man mitunter mehr als 30 Minuten. Und viele stimmen bei politischen Wahlen für rechte und rechtsextreme Parteien.
Mich würde man politisch eher linksliberal einordnen. Damit bin ich Teil einer kleinen Minderheit, die sich einer satten konservativen bis rechtsextremen 70-%-Mehrheit von CDU und AfD gegenüber sieht (Kreistagswahl 2024, vgl. Wikipedia). Seit der Schulzeit bin ich politisch interessiert. Sehr lebhaft ist meine Erinnerung an die Sommer 2015 und 2016, als der Pausenhof über „Wir schaffen das“ diskutierte. Fortgesetzt wurden die Diskussionen jedes Wochenende am Frühstückstisch.
Für das Studium bin ich seit einigen Jahren auch in Oberfranken. Dort habe ich eine andere Stadt kennengelernt – und auch eine Außensicht auf meine Heimat. Hundert Kilometer Luftlinie trennen diese zwei Orte. Lange Zeit lag dazwischen auch die innerdeutsche Grenze. Die Brücke der Deutschen Einheit, wo heute alle europäischen Fahrzeuge gleichermaßen geblitzt werden, habe ich oft überquert.
Unzufrieden mit der Demokratie
Meine Heimat beobachte ich weiterhin. Die Entwicklung, die Thüringen in den letzten Jahren genommen hat, wird immer wieder medial aufgegriffen. Auch mich beschäftigt sie, denn es vergeht kaum eine Woche, in der ich nicht praktisch damit konfrontiert bin.
Viele Menschen in meinem Umfeld sind unzufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie. Bei der Bundestagswahl 2025 wählten in meinem Wahlkreis 44,5 % die „Alternative für Deutschland“ (81,6 % Wahlbeteiligung). In meinem Dorf bekam sie mehr als die Hälfte der Erststimmen. Es entsteht schnell der Eindruck, dass viele Menschen der Demokratie gedanklich längst den Rücken zugekehrt haben.
Das greift allerdings zu kurz. Gründliche Erhebungen (Deutschland-Monitor 2024, Thüringen-Monitor 2024) zeigen: Die Idee der Demokratie wird in Ost und West kontinuierlich wertgeschätzt. Worum also geht es den Menschen hier, wenn sie rechte bis rechtsextreme Parteien wählen?
Die naheliegende Antwort macht häufig Schlagzeilen: Hass auf unsere Verfassung. Intoleranz gegenüber Fremden und Andersdenkenden. Mitunter ländliche Engstirnigkeit. Gleichzeitig sehen sich viele hier als die eigentlichen Demokraten mit legitimen Wünschen nach Veränderung. Von fehlender Meinungsfreiheit ist oft die Rede.
Wie umgehen mit Rechts?
Es wäre leicht, das zu ignorieren. Wer den „erwiesen extremistisch[en]“ Landesverband einer Partei (MDR) wählt, kann sich nicht darauf berufen, ein echter Demokrat zu sein. Mit einer Stimme für die Thüringer AfD werden Positionen unterstützt, die gegen Werte des Grundgesetzes und auch die demokratische Grundordnung gerichtet sind. Ergo: Rechts liegen lassen, was soll man schon tun? Notfalls wegziehen, privilegiert genug bin ich ja.
Aber hilft mir das? Nicht wirklich. Es werden von Wahl zu Wahl mehr Stimmen für die AfD. Während wir uns mit deren Gedankengut auseinandersetzen, bleiben andere wichtige Themen (Stichwort: Klimawandel, Bildung, Gesundheit) liegen. Und auch einige der ernsten Probleme, für deren Lösung die AfD mitunter gewählt wird (Stichwort: Kleine-Leute-Partei gegen die Reichen und Mächtigen), könnte man anders tatsächlich angehen. Ohne Menschen pauschal abzuwerten, ohne Arme gegen noch Ärmere auszuspielen. Im Prinzip ist die AfD eine gewaltige, bedrohliche Zeitverschwendung.
Schlimmer noch: Die gesamte Uhr scheint in die verkehrte Richtung zu laufen. Worauf ich Bock habe, ist ein Leben in einer freien und gerechten Gesellschaft. Da sind wir aktuell nicht. Aber es kann gut sein, dass wir uns noch wesentlich weiter davon entfernen – und das, obwohl meine Rechts wählenden Nachbarn und ich in einigen Zielen gar nicht so weit auseinander liegen.
Warum ich schreibe
Ich habe keine Lust, dem nur zuzusehen. Ich suche gedanklich nach Antworten: Wie kommen wir aus dieser Situation wieder heraus? Wie können vorwärtsgewandte Taten dabei helfen? Wie hole ich Bekannte und Verwandte zurück in verschwörungsfreie Diskurse über echte Probleme?
Ich kann auch keine dieser Frage beantworten. Aber ich denke gern über sie nach und das Schreiben hilft mir, meine Gedanken zu ordnen. Auf diesem Blog werde ich in unregelmäßigen Abständen Einblicke teilen. Das hilft mir in erster Linie dabei, Ordnung in meinem Kopf zu schaffen. Außerdem habe ich das Gefühl, dass in einer medial armen Gegend wie meiner Heimat ein paar Ideen und Standpunkte, die aus den gewohnten Angeboten ausbrechen, nicht schaden.
Ich glaube daran, dass kleine, ganz praktische Taten etwas verändern können. Die großen Diskussionen in Talkshows und Tageszeitungen helfen in meiner Erfahrung selten weiter. Deshalb liegt mein Fokus auf dem Kleinen, dem Ländlichen, dem Lokalen. Das schaue ich mir an und darüber gibt es hier künftig mehr zu lesen.
Der Transparenz halber sei noch gesagt: Ich bin seit Ende 2024 Mitglied bei Bündnis 90 / Die Grünen. Die Partei ist in meiner Gegend nahezu unbedeutend. Je eine Person hat aktuell einen Sitz im Kreistag und im Stadtrat Pößneck. Ich bin eingetreten, weil ich mir konsequenten Klima- und Umweltschutz, gerechte Startchancen für Kinder, weniger Ungleichheit und vieles Andere wünsche. Bei Gelegenheit werde ich darüber schreiben, warum ich das nicht für aussichtslos halte, auch wenn der Name der Partei hier regelrecht verbrannt ist.


2 Antworten
@rechtsdersaale na mal sehen was es von der Saale zu berichten gibt. Bin gespannt, da ich in Bad Kösen aufgewachsen bin. Jens
@rechtsdersaale@rechtsdersaale.de
Moin Flo, willkommen im Fediverse 🤗